Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verlangt ab 28. Juni 2025 von Dienstleistern und Herstellern verständliche Informationen. Aber was bedeutet verständlich? Können Unternehmen ihre eigene Definition von „verständlich“ wählen? Gewissheit schafft die Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) - finanziert von der deutschen Kultusministerkonferenz und dem Kulturstaatsminister, mit einem Redaktionsstab im Deutschen Bundestag. Die GfdS stellt in einem Fachartikel fest, woran sich Unternehmen halten müssen, um barrierefrei zu kommunizieren.
Nicht nur für Banken verbindlich: Das B2-Sprachniveau als EU-Konsens für Verständlichkeit. Das BFSG schreibt für Bankdienstleistungen explizit das GER-Sprachniveau B2 vor. Dieses Sprachniveau ist aber nicht nur für Banken relevant. Das ergibt sich aus den Äußerungen der GfdS und aus dem EU-Konsens darüber, was Verständlichkeit ist: Damit eine Dienstleistung die Anforderungen des § 3 Absatz 1 Satz 2 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfüllt, muss sie laut BFSG „in verständlicher Weise dargestellt“ werden.
Und wie wird ein Gutachter vor Gericht Verständlichkeit prüfen, wenn eine Versicherung wegen ihrer komplexen Texte verklagt wurde? Er wird die Texte analysieren und dabei unter anderem die GER-Sprachniveaus zurate ziehen. Denn die GER-Sprachniveaus sind eine EU-weit bewährte Orientierung - auch der Gesetzgeber richtet sich nach diesem System.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) erklärt in ihrem Fachartikel, dass „Verbrauchertexte das Sprachniveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) nicht überschreiten“ dürfen. Sie zieht dabei eine wichtige Parallele zur DIN-genormten „Einfachen Sprache“ und zur „Leichten Sprache“: Texte in „Leichter Sprache“ sind laut GfdS vergleichbar mit Texten auf dem A1-Sprachniveau. Texte in „Einfacher Sprache“ sind etwas schwerer verständlich und ähneln Texten auf dem B1-Niveau.
Für Texte auf B2-Sprachniveau schlägt die GfdS den Begriff „Einfache Sprache plus“ vor. Sie schreibt: „Das bedeutet mit Blick auf das BFSG und das Kriterium B2, dass Verbrauchertexte von Wirtschaftsakteuren zukünftig die Kriterien der Leichten Sprache, eher diese der Einfachen Sprache und höchstens die Kriterien eines Konzepts ‚Einfache Sprache Plus‘ erfüllen müssen - diese Begrifflichkeit schlagen wir als Pendant zu dem bereits hervorgebrachten Terminus ‚Leichte Sprache Plus‘ vor (vgl. Rink/Maaß 2022).“
Während Leichte Sprache sich nur an Menschen mit Einschränkungen richtet, adressiert Einfache Sprache laut GfdS „Menschen mit einer geringeren Lesekompetenz“. Gemeint sind damit nicht etwa Menschen, die kaum Deutsch sprechen oder schlecht gebildet sind. Betroffen ist die breite Mehrheit der Bevölkerung: Laut einer Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2011 erreichen 40 % der Bevölkerung lediglich das Sprachniveau B1. 33 Prozent der Menschen liegen auf dem B2-Niveau. Doch die meisten Texte von Firmen und Behörden sind auf dem C1-Niveau. Nur 5 % der Deutschen beherrschen dieses Level. Das ist ein Grund dafür, warum etwa der Versicherungskonzern Generali weltweit seine Kommunikation auf das B1-Niveau umgestellt hat.
Was Barrierefreiheit bedeutet, ist nach der Lektüre des GfdS-Artikels klar: Texte müssen künftig auf einem Sprachniveau unterhalb von C1 verfasst werden. Zudem müssen sie sich an den DIN-Normen für Einfache Sprache messen lassen. Mit dem B1-Sprachniveau erreichen Unternehmen die meisten Menschen und nehmen einen Sicherheitsabstand zum komplexen C1-Niveau ein. Das schafft auch aus Sicht von Experten wie der GfdS Konformität mit den gesetzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit.
Der Verein lässt hierzu wenig Fragen offen und schreibt in seinem Artikel zur WORTLIGA Textanalyse: „Wir sind indes auf eine Software gestoßen, die Textproduzentinnen und -produzenten genau dabei unterstützt, was der Gesetzentwurf verlangt: bei der Anpassung von Texten an das GER-Niveau B2.“
Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER) wurde ursprünglich für das Fremdsprachenlernen entwickelt. Er teilt Sprachkenntnisse in sechs Stufen ein, von A1 bis C2. A1 steht für einfache Sprachverwendung, C2 für ein fast muttersprachliches Niveau, das auch sehr komplexe Texte versteht. Im Zusammenhang mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ist das Sprachniveau B2 als Untergrenze für Verständlichkeit wichtig. Das Gesetz verlangt Verständlichkeit für Texte, die an Verbraucher gerichtet sind.
News vom: 12.09.2024
Bildunterschrift: Barrierefreie Kommunikation bedeutet, auf dem B1- oder B2-Niveau zu kommunizieren - denn diese beiden Sprachniveaus verstehen die meisten Menschen.
Grafik: WORTLIGA